Der deutsche WM-Erfolg und seine Botschaft für die Gesellschaft

dtj-online-logoNach dem WM-Sieg gegen Argentinien waren es vor allem auch Deutsch-Türken, die mit Hupkonzerten auf dem Ku’damm feierten. Während es in der Vergangenheit bei den jungen Deutsch-Türken eher Schadenfreude gab, wenn die Nationalelf ausschied, wurde nun bis in die Morgenstunden mitgefeiert. Das hat seine Gründe. Viele der 23 Nationalspieler haben nämlich einen Migrationshintergrund. Diese Vielfalt wirkt sich nicht nur auf die Spielweise und die Leistung der Mannschaft aus, sondern auf das ganze Land.

Mesut Özil und Sami Khedira beten vor dem Spiel und heben nach muslimischer Art ihre Hände und rezitieren nach eigenen Aussagen Gebete aus dem Koran. Bilder, die es zum ersten Mal in der deutschen Nationalmannschaft gibt. Selbst die überholten ARD- und ZDF-Reporter, die noch immer nicht verstanden haben, dass der Fastenmonat Ramadan nicht nur für Algerien ein Thema ist, sprechen die polnisch, balkanisch, türkisch und arabisch klingenden Namen perfekt aus. Dass Lukas Podolski und Klose auf dem Platz untereinander polnisch sprechen, ist inzwischen auch kein Geheimnis mehr.

Diese Vielfalt ist relativ neu. Bei der WM 1954 gab es gerade einmal einen einzigen Spieler mit Migrationshintergrund. Doch gerade diese Mischung hat aus dieser Mannschaft eine ganz besondere gemacht. Diese DFB-Mannschaft zeigt Vielfalt, Spielfreude und Emotionen, sie ist begeisterungsfähig. Söhne von Aussiedlern, Einwanderern, Eltern aus Mischehen und sogar Flüchtlingen bilden gemeinsam mit den Autochthonen eine bunte Mischung.

Diese Mischung strahlt nicht nur in die Leitung und in den Spielwitz der Mannschaft, sondern in die gesamte Gesellschaft, und zwar in alle Richtungen. Bei den Autochthonen führt es zu mehr Akzeptanz. Die Vielfalt wird als Bereicherung gesehen. Sie erreicht das Signal, dass Migranten der Gesellschaft etwas bringen. Auch bei den Menschen mit Migrationshintergrund kommt eine positive Botschaft an. Ihnen wird verdeutlicht, dass sie dazu gehören, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind und dass sie wie Özil, Khedira und Klose alles in diesem Land erreichen können.

Jedem ist natürlich klar, dass alleine dadurch, dass es mehr Spieler mit Migrationshintergrund in der Nationalelf gibt, nicht die Probleme der Integration gelöst werden können. Diese Vielfalt muss sich in allen Bereichen des Lebens niederschlagen. In der Verwaltung, der Polizei, der Feuerwehr, bei den Lehrern, in den Medien, in den Unternehmensvorständen und in den Parteien. In diesen Bereichen ist es leider noch so, dass Migranten höchstens Exoten sind. Das muss sich ändern. Die Nationalmannschaft hat gezeigt, dass es klappen kann und dass es ein Gewinn für dieses Land ist, wenn alle teilhaben.

Natürlich wird das nicht einfach. Aber diese Herausforderung muss Deutschland annehmen. Die Vielfalt bei den Bundesgrenzschutzbeamten an der Passkontrolle am Flughafen muss sich genauso verändern. Die Frage ist auch immer, welches Deutschland man vermitteln will. Es wird Deutschland am meisten bringen, wenn sich die Vielfalt der Gesellschaft überall wiederspiegelt und man es schafft, Weltoffenheit und Toleranz zu präsentieren. Die deutsche Realität sieht bunt aus. Diese Vielfalt ist Deutschland. Daher ist diese deutsche Nationalmannschaft die deutscheste, die wir seit langem hatten.

Gehe zu:

dtj-online.de

Ercan Karakoyun

Seit der Gründung der Stiftung Dialog und Bildung im November 2013 bin ich ihr Vorsitzender. Ich wurde am 23.12.1980 in Schwerte geboren und habe dort bis zu meinem Abitur gelebt. Im Rahmen eines Stipendiums der Friedrich-Ebert-Stiftung habe ich mein Studium der Raumplanung an der Universität Dortmund mit dem Schwerpunkt Stadtsoziologie abgeschlossen. Ich bin Gründungsmitglied des Forums für Interkulturellen Dialog (FID) e.V. Berlin und war dessen Geschäftsführender Vorsitzender. Ich bin Mitglied im Kuratorium des Bet- und Lehrhauses am Petriplatz, Mitglied im publizistischem Beirat der Zeitschrift “Die Fontäne”, Kolumnist des Portals dtj-online.de, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Follow by Email
%d Bloggern gefällt das: