Ist der Islam antisemitisch?

dtj-online-logoDie Mehrheit der Muslime weiß, dass Antisemitismus keinen Platz im Islam hat. Dennoch scheint es aber Muslime zu geben, die Juden nur deshalb hassen, weil sie Juden sind. Daher ist es notwendig, der Frage nachzugehen, ob der Islam antisemitisch ist und wie Muslime mit dem Antisemitismus umgehen sollten, damit derartiges nie wieder passieren kann.

Jeder Mensch glaubt, dass seine Religion die richtige ist. Dies gilt auch für die Muslime. Die anderen Religionen sind entweder falsch oder zumindest verändert und nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Dies hat sich allerdings jahrhundertelang nicht auf das soziale Leben ausgewirkt. Ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht nämlich, dass Muslime größtenteils friedlich mit Juden und Christen im gleichen Staat lebten. Es gab zwar klare Verträge und Pflichten für Minderheiten, die Situation war aber niemals lebensbedrohlich. Die islamische Welt gewährte den Juden Freiheiten und Rechte von denen sie im Abendland nur träumen konnten. Rabbiner Isaak Zarfati lud deshalb 1470 alle deutschsprachigen jüdischen Gemeinden ein, sich im Osmanischen Reich anzusiedeln. Er forderte die jüdischen Gemeinden in Mitteleuropa dazu auf, vor den Pogromen und Verfolgungen in Europa zu fliehen und ins Osmanische Reich zu kommen. „Hier kann jeder unter seinem Feigenbaum und seinem Weinstocke ruhig leben“, schreibt er. 1492 schickte Sultan Bayezid II. sogar Schiffe und nahm viele Juden aus Spanien auf, die vor der Kirche fliehen mussten. Auch der Prophet Mohammed betonte immer wieder die Religionsfreiheit. Das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen war fast niemals angespannt.

Die ersten Anzeichen eines Antisemitismus in der islamischen Welt fangen mit dem Israel-Palästina Konflikt an. Dieser eigentlich politische Konflikt wurde als ein Krieg zwischen Judentum und Islam interpretiert. Das ist fatal. Hinzu kommen nun die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umstände, in denen sich die islamische Welt heute befindet. Dies ist der Nährboden auf dem sich nun der Antisemitismus verbreitet. Denn keine Gesellschaft ist vor Rassismus und Antisemitismus gefeit. Dies gilt auch für die Muslime in Deutschland. Oft sind es Jugendliche, die sich ausgegrenzt fühlen und dann aus diesem Gefühl andere diskriminieren. Dies muss ernst genommen werden.

Nicht monokausale Schuldzuweisungen, sondern eine Zusammenarbeit von Schule, Eltern, Moschee, Gesellschaft und Jugendlichen insgesamt ist erforderlich. Vor allem in Schulen muss eine effektivere Bildungsarbeit stattfinden. Auch eine religiöse Aufklärung darüber, wie der Islam zu anderen Religionen steht, ist erforderlich. Der Islam unterstreicht nämlich den friedlichen Dialog mit den anderen Religionen und die Religionsfreiheit.

Jeder Muslim sollte sich mit all jenen solidarisieren, die Unrecht erfahren. Seien es Juden, Christen, Muslime oder Atheisten.

Ercan Karakoyun studierte in Dortmund Raumplanung mit dem Schwerpunkt Stadtsoziologie und promoviert zur Zeit an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt zum Thema “Transnationalität”. Als Geschäftsführender Vorsitzender des Forums für Interkulturellen Dialog e.V. (FID) in Berlin engagiert er sich für den interkulturellen und -religiösen Dialog.

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Ercan Karakoyun

Seit der Gründung der Stiftung Dialog und Bildung im November 2013 bin ich ihr Vorsitzender. Ich wurde am 23.12.1980 in Schwerte geboren und habe dort bis zu meinem Abitur gelebt. Im Rahmen eines Stipendiums der Friedrich-Ebert-Stiftung habe ich mein Studium der Raumplanung an der Universität Dortmund mit dem Schwerpunkt Stadtsoziologie abgeschlossen. Ich bin Gründungsmitglied des Forums für Interkulturellen Dialog (FID) e.V. Berlin und war dessen Geschäftsführender Vorsitzender. Ich bin Mitglied im Kuratorium des Bet- und Lehrhauses am Petriplatz, Mitglied im publizistischem Beirat der Zeitschrift “Die Fontäne”, Kolumnist des Portals dtj-online.de, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
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