Beginnt jetzt der Wettbewerb um die Gunst der Türken?

DTN-logo-FBAm Mittwoch treffen sich Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan in Berlin im Rahmen des 50 Jahre bestehenden Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei. Es scheint, als sei in den vergangenen zwei Jahren zwischen beiden Politikern ein Kampf um die Gruppe entbrannt, die bislang 50 Jahre vernachlässigt wurde – die türkischen Gastarbeiter.

Als die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen, sollten sie zunächst nur ein Jahr bleiben und dann wieder zurückkehren. Sowohl die deutsche als auch die türkische Seite bemerkte allerdings schnell, dass ein Jahr kein Jahr ist. Bis die Gastarbeiter ankamen und sich in ihren Heimen einlebten war das Jahr schnell vorüber. Man entschied sich, die Arbeitszeit auf zunächst zwei Jahre zu erweitern. Auch das reichte nicht. Aus dem einen Jahr wurden vier, dann zehn, mittlerweile sind es 50 Jahre geworden.

Die Türkei hat sich in den ersten 30-40 Jahren überhaupt nicht um die Bedürfnisse der “gurbetci”, also der Mitbürger in der “Fremde”, gekümmert. Sie sollten in der Türkei investieren, ihr Geld herschicken und sich um ihre Verwandten in den Dörfern kümmern. Die deutsche Diskussion hingegen ist von einem ständigen Hin und Her zwischen “Ihr seid willkommen”, Rückkehrhilfe und der Diskussion über Anpassung und Integration geprägt. Auch die deutsche Seite hat fast 40 Jahre nichts unternommen. Bei den “gurbetci” handelte es sich also um eine Gruppe Staatenloser, um die sich weder die türkischen noch die deutschen Regierungen bemühten.

Türkei und Deutschland brauchen hochqualifizierte Arbeitskräfte

In den letzten zwei Jahren hat sich allerdings viel verändert. Mehr als in den 48 Jahren davor. Der Motor dieser Veränderung ist die neue aufblühende Türkei. Der Demokratisierungsprozess schreitet voran, die Wirtschaft blüht wie in keinem anderen Land auf der Welt, damit geht eine enorme Verbesserung des Lebensstandards einher. Vor allem aber ist es das Wirtschaftswachstum, das nun die türkische Regierung antreibt, sich für die Gunst der gut ausgebildeten und erfolgreichen Migranten in Deutschland einzusetzen. Mehr als je zuvor benötigt die Türkei internationale hochqualifizierte mehrere Sprachen sprechende Arbeitskräfte.

Aber auch in Deutschland hat der Kampf um die Gunst der Türken begonnen. Die demographische Entwicklung ist nicht umkehrbar. Der Bevölkerungsanteil der türkischen Migranten wird weiter ansteigen. Schon jetzt gibt es in allen Bereichen erfolgreiche Türken, die man im Ausland als “deutsche” Integrationserfolge und deutsche Weltoffenheit präsentiert. Aber auch auf die jungen und gutausgebildeten Migranten ist Deutschland angewiesen.

Wir werden in den nächsten Jahren also einen Wettbewerb um die Gunst der türkischen Migranten erleben. Das ist eine Luxus-Situation für die Migranten. 40 Jahre lang wurden sie von beiden Staaten ignoriert. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen verdeutlichen vor allem eins: Beide Seiten haben große Fehler gemacht und beide Seiten haben aus Eigeninteresse die türkischen Migranten und ihre Sorgen und Nöte ignoriert. Jetzt nach 50 Jahren ist es dennoch nicht zu spät. Sowohl Deutschland als auch die Türkei wissen, dass es kein Zurück mehr gibt. Die Türken werden immer ein Teil Deutschlands und somit Europas sein. Ob die Türkei in die EU aufgenommen wird oder nicht, spielt hierbei keine Rolle. Millionen von Türken wohnen mitten in Europa.

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Ercan Karakoyun

Seit der Gründung der Stiftung Dialog und Bildung im November 2013 bin ich ihr Vorsitzender. Ich wurde am 23.12.1980 in Schwerte geboren und habe dort bis zu meinem Abitur gelebt. Im Rahmen eines Stipendiums der Friedrich-Ebert-Stiftung habe ich mein Studium der Raumplanung an der Universität Dortmund mit dem Schwerpunkt Stadtsoziologie abgeschlossen. Ich bin Gründungsmitglied des Forums für Interkulturellen Dialog (FID) e.V. Berlin und war dessen Geschäftsführender Vorsitzender. Ich bin Mitglied im Kuratorium des Bet- und Lehrhauses am Petriplatz, Mitglied im publizistischem Beirat der Zeitschrift “Die Fontäne”, Kolumnist des Portals dtj-online.de, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
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